
Zu Ken Follett
Ein Artikel aus der
Woche aus dem Jahre 1994
Ken Follett, 1949 in Wales geboren, von Beruf Journalist,
wurde mit seinem Thriller die Nadel weltberühmt. Brilliante Erzählkunst
verbindet sich in seinen Büchern mit fundierter Sachkenntnis.
Vom Cover seines neusten Buches "Der dritte Zwilling":
Ken Follett war erst siebenundzwanzig, als er den Thriller DIE NADEL schrieb,
der sowohl zu einem internationalken Besteller als auch zu einem großen
Kinofilm wurde. Zuvor war der Autor nach einem Studium der Philosophie
am University College, London, als Zeitungsreporter und Verlagsmitarbeiter
tätig gewesen. Er hat seitdem neun weiter Bestseller geschrieben,
darunter den Welterfolg DIE SÄULEN DER ERDE, gefolgt von Romanen wie
DIE PFEILER DER MACHT und DIE BRÜCKEN DER FREIHEIT. Ken Follett lebt
mit seiner Frau Babara, die seit 1997 als Abgeordete der Labour Party dem
britischen Unterhaus angehört, und ihren Kindern in Chelsea, London,
und Stevenage, Hertfordshire.
Vorwort von "Der Modigliani Skandal": In einem
moderen Thriller rettet der Held gewöhnlich die Welt. Traditionelle
Abenteurgeschichten sind da bescheidener: Der Protagonist rettet sein eigenes
Leben und vielleicht noch das eines treuen Freundes oder einer betörenden
Schönen. In weniger sensationellen Romanen - in jenen normalen, gut
erzählten Geschichten, die über ein Jahrhundert lang die gängige
Kost der Leser waren - steht zwar weniger auf dem Spiel, aber auch dort
sind es die Anstrengungen, Kämpfe und Entschlüsse der handelnden
Person, die auf dramatische Weise über ihr - oder sein - Schicksal
entscheiden.
Ich glaube nicht, daß das im wirklichen Leben so
ist. Hier entscheiden im allgemeinen Umstände, über die wir keinerlei
Kontrolle haben, ob wir leben oder sterben, glücklich oder unglücklich
werden, Reichtümer besitzen oder alles verlieren. Die meisten reichen
Menschen hatten einfach der Glück, in wohlhabenden Ländern zur
Welt zu kommen. Die meisten glücklichen Menschen wachsen in liebevollen
Familien auf, und die meisten unglücklichen Menschen hatten verrückte
Eltern.
Ich bin kein Fatalist, und ich glaube auch nicht, daß
alles im Leben blinder Zufall ist. Auch wenn wir unser Leben nicht so kontrollieren,
wie ein Schachspieler seine Figuren kontrolliert, so ist das Leben doch
kein Roulette. Wie meist ist die Wahrheit kompliziert. Zwar sind es Mechanismen,
die wir nicht beherrschen - und manchmal nicht einmal verstehen -, welche
das Schicksal eines Menschen bestimmen, doch können die Entscheidungen,
die er trifft, Folgen haben, wenn auch vielleicht nicht die von ihm erwarteten.
In Der Modigliani Skandal versuchte ich, eine
neue Art von Roman zu schreiben: einen Roman, in welchem die individuelle
Freiheit einem stärkeren Gesamtmechanismus auf vielfältige Weise
untergeordnet bleibt. Dieses unbescheidene Projekt zu realisierenist ist
mir nicht gelungen. Möglicherweise kann ein solcher Roman überhaupt
nicht geschrieben werden: Mag's im Leben auch nicht um individuelle Entscheidungen
gehen, so vielleicht doch in der Literatur.
Was ich schließlich zu Papier brachte, war ein
Krimi eher heiteren Charakters, in dem eine Anzahl von - meist jungen -
Menschen allerlei Wagnisse unternimmt, von denen keins so ganz den erwarteten
Ausgang nimmt. Die Kritiker priesen den Roman als munter, sprudelnd, beschwingt,
leicht, überschäumend und - abermals - leicht. Ich war darüber
enttäuscht, daß sie meine ernsten Intentionen nicht bemerkt
hatten.
Inzwischen betrachte ich das Buch nicht länger als
Fehlschlag. Es hat etwas Überschäumend-Durcheinandersprudelndes,
und das nicht zu seinem Nachteil. Die Tatsache, daß es so ganz anders
ist als das Buch, das ich eigentlich schreiben wollte, hätte mich
nciht verwundern sollen - ist doch gerade dies ein Bewis für meine
Behauptung.
Ken Follett, 1985
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